Es herrscht derzeit große Unsicherheit, ob und in welchem Umfang Unternehmen eine Entschädigung aus einer vorhandenen Betriebsschließungsversicherung (BSV) erwarten können.

Neben der Haftpflichtkasse haben auch viele andere Assekuranzen, wie Axa, Allianz, HDI, R+V, Württembergische oder Zurich BSV-Policen verkauft.

Viele Versicherer lehnen jetzt Ansprüche ab. Angesichts von Massenschäden dürfte es dann wohl zu vielen Rechtsstreitigkeiten kommen, schätzen Experten.

Rechtsanwälten liegen derzeit eine Vielzahl Fälle vor, bei denen Versicherer eine Leistung aus der BSV ablehnen. Die meisten kommen aus der Hotel- und Gastronomiebranche.

Renommierte Juristen für Versicherungsrecht haben jetzt die Rechtslage sondiert. Danach soll die Leistungsverweigerung juristisch nicht so einfach sein.
Um mehr Rechtssicherheit für alle Betroffene zu schaffen, wurden renommierte Rechtswissenschaftler um ihre Einschätzung gebeten, darunter der Versicherungsjurist Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski. Er sieht Versicherer, die sich in ihren Bedingungen zur BSV auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) beziehen in der Deckungspflicht, wenn Betriebe wegen des Coronavirus von Behörden geschlossen wurden.

Werden Krankheiten nur beispielshaft genannt, steht der Versicherer in der Leistungspflicht.
„Im Gesetz wird von einer namentlichen Meldepflicht gesprochen und Krankheiten aufgezählt. Damit gilt eine solche Meldepflicht aber auch für alle ähnlichen Krankheiten oder ähnliche Krankheitserreger, selbst wenn sie noch nicht bekannt sind“, erläutert Schwintowski, der an der Berliner Humboldt-Universität lehrt.

Corona-Eilverordnung nur „Verklarung“
Nach Ansicht Schwintowski würden von dem Gesetz alle Gruppen ähnlicher Krankheitserreger erfasst. „Namentlich bedeutet lediglich eine Verdeutlichung für Mediziner.“ Daher sei die Aufnahme des Coronavirus ins IfSG, die am 30. Januar 2020 per Eilverordnung erfolgte, lediglich eine „Verklarung“ einer schon bestehenden Meldepflicht.
Auch vorbeugende Schließungen von Unternehmen – ohne konkreten Krankheitsfall in der Belegschaft – wären ein Schadenfall im Sinne der BSV, da Behörden laut dem IfSG dazu berechtigt seien.
Unternehmen, die aufgrund einer behördlichen Anordnung mit Hinweis auf das IfSG geschlossen wurden und eine BSV abgeschlossen haben, hätten laut Schwintowski nur dann keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Police, wenn der Versicherer in seinen Bedingungen ausdrücklich Krankheiten abschließend aufgeführt hat, die einen Anspruch auslösen.

„Werden Krankheiten hingegen nur beispielshaft genannt, steht der Versicherer in der Leistungspflicht“, so Professor Schwintowski. Noch gibt es zu den Fragen der Leistungspflicht aus der BSV aufgrund des Coronavirus natürlich keine Rechtsprechung.

Typischerweise bezieht sich die BSV auf das Gesetz
Professor Dr. Christian Armbrüster von der Freien Universität Berlin, der dort unter anderem Privatversicherungs-Recht lehrt, verweist darauf, dass die Bedingungen typischerweise auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) Bezug nehmen.

„Behördlich verfügte Betriebsschließungen aufgrund des Coronavirus sind dann gedeckt, wenn die Verweisung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen auf eine Meldepflicht nach dem IfSG so zu verstehen ist, dass generell Schließungen aufgrund von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern erfasst sein sollen“, erläutert der Experte.

Wenn die Versicherungsbedingungen (wordings) der Versicherer die namentliche Aufzählung von Krankheiten und Erregern in den Listen des IfSG wiedergeben, komme es darauf an, ob eine solche Wiedergabe als reine Information des Versicherungsnehmers zu verstehen ist oder als verbindliche und abschließende Umschreibung des Kreises derjenigen meldepflichtigen Krankheiten und Erreger, für die Versicherungsschutz versprochen wird.

Kein unkalkulierbares Risiko eingehen
Für eine Interpretation als abschließende Regelung spricht nach Meinung des Rechtswissenschaftlers, dass Versicherer eben nur ein kalkulierbares Risiko eingehen wollen und nicht dynamisch alle Krankheiten und Erreger zum Zeitpunkt der Betriebsschließung abdecken möchten. Nur so habe der Versicherer die Chance, die Übernahme neuer Risiken zu prüfen.
Gleichzeitig verweist der Jurist aber darauf, dass der Versicherer seine Bedingungen so formulieren muss, dass der Umfang des Schutzes möglichst klar ersichtlich ist. Unklarheiten gingen zu Lasten des Versicherers.
Im Endeffekt müsse der Anbieter leisten, wenn in den Versicherungsbedingungen oder bei Vertragsschluss der Eindruck vermittelt wurde, der Kunde sei im Falle behördlicher Schließungen auf Grundlage des IfSG rundum abgesichert.

Kunde muss Deckungslücke erkennen können

Wurde hingegen die Liste namentlich genannter Krankheiten und Krankheitserreger als abschließend dargestellt und klar herausgestellt, dass weitere meldepflichtige Krankheiten und Erreger nicht gedeckt sind, sei keine Leistungspflicht gegeben. Ohne eine solche Klarstellung – wie sie manche Versicherungsbedingungen enthalten – sei fraglich, ob ein „durchschnittlicher Versicherungsnehmer“ die Deckungslücke überhaupt erkennen kann.
Besonders schwierig wird es für Versicherer und ihre Vertreter, wenn Policen noch nach dem 30. Januar 2020 verkauft wurden, als das Coronavirus schon der Meldepflicht nach dem IfSG unterlag. Armbrüster: „Dann haftet der „Vertreiber“, wenn er den Kunden nicht deutlich darüber aufgeklärt hat, dass eine Betriebsschließung aufgrund des Coronavirus nicht versichert ist.“

Kulanz für alle?
Eine andere Frage sei es, ob Versicherer sich jetzt in Zweifelsfällen mit Deckungsablehnungen für ihr künftiges Geschäft einen Gefallen tun. „Dies zu beurteilen liegt aber jenseits meiner Kompetenz als Rechtswissenschaftler“, stellt Armbrüster klar.

(Quelle: Versicherungsjournal 27.03.2020)

Klage und Versicherungsvertragsrechtsschutz

Viele Experten raten den Versicherern zur Kulanz. Neben „Ethik“ geht es hier auch um das Fortbestehen der Kundenverbindung. Das Image der gesamten Versicherungsbranche sowie der betroffenen Versicherer könnte zudem nachhaltig beschädigt werden.

Kommt es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung, müssen die versicherten Betriebe klagen. Es geht bei vielen um ihre Existenz! Hier sind Unternehmen gut aufgestellt, die eine Rechtsschutzpolice mit Versicherungsvertragsrechtsschutz abgeschlossen haben.

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